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27. Januar 2013 7 27 /01 /Januar /2013 21:20

Handout von Benedikt J.

 

Dimitri Schostakowitsch und sein Werk

 im Zeichen der

stalinistischen Terrorherrschaft

von Benedikt Jordan

 

Dimitri Schostakowitsch ist einer der einflussreichsten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Wie kein anderer hat er es geschafft, in der Zeit internationaler Blockbildung, die Grenzen zu überwinden und seine musikalischen Überzeugungen auch unter der Terrorherrschaft Stalins weiterhin auszuleben.

Doch wie hat er dies bewerkstelligt? Dieser Frage soll der nachfolgende Aufsatz nachgehen und sie, hoffentlich bestmöglichst, beantworten.

 

Dimitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch wurde am 25. September 1906 in Petrograd, dem heutigen St. Petersburg geboren. Trotz seiner musikalisch ausgerichteten Familie begann Dimitri erst mit neun Jahren das Klavierspiel zu erlernen. Durch sein, nahezu genieartiges Talent, hatte der Knabe schon nach knapp vier Jahren alles gelernt, was ihm der Klavierlehrer beibringen konnte und begann mit 13 Jahren sein Studium an dem Konservatorium in Petrograd, das zu den besten des Landes gehörte.

Auch sein kompositorisches Talent entfaltete sich früh. Nachdem Schostakowitsch 1917 im Zuge der Oktoberrevolution an einer Demonstration teilgenommen und die Tötung eines Demonstranten durch Polizeikräfte miterlebt hatte, komponierte er, mit stolzen elf Jahren, als Reaktion darauf die Werke „Trauermarsch für die Opfer der Revolution“ und „Hymne an die Freiheit“. Schon hier kann die Politisierung des jungen Dimitri beobachtet werden.

Seinen ersten, nationalen und internationalen Erfolg erlebte Dimitrij bei der Veröffentlichung seiner Diplomarbeit, der 1. Sinfonie in f-Moll im Jahre 1926. Inspiriert von zeitgenössischen Komponisten und mit einer reichhaltigen Instrumentierung ausgestattet, erlebte diese Sinfonie einen beispiellosen internationalen Erfolg. Für den 19 jährigen Schostakowitsch war dies der Beginn seiner „Karriere“ als Komponist.

 

Ein Jahr später vollzog sich ein politischer Wandel in der Sowjetunion (SU), der die nächsten Jahrzehnte von Schostakowitschs Leben und Wirken prägen sollte: Die Machtergreifung Stalins. Dieser hatte den rigiden Machtkampf um die Nachfolge Lenins in den Jahren 1922-1927 schlussendlich gewonnen und herrschte ab 1927 uneingeschränkt über die sozialistische Sowjetunion. Da Stalin in der Kunst und Musik wichtige Mittel zur Patriosierung und Manipulation der Bevölkerung sah, kontrollierte er diese, Zeit seiner Regentschaft, genau und baute einen umfassenden Zensur- und Kontrollapparat auf. Dies hatte zur Folge, dass nur noch Komponisten und Künstler, die sich auf die staatlich vorgegebene Linie des „sozialisitischen Realismus“ einließen und „regimetreue“ Werke erschafften, eine Chance hatten, in der SU zu überleben.

Schostakowitschs Verhältnis zu dem Zensurapparat Stalins und diesem persönlich ist sehr interessant. Dieses schwankte zwischen umfassender und uneingeschränkter Unterstützung und Anerkennung auf der einen Seite sowie Aburteilung und Bedrohung auf der anderen. Zeit seines Lebens hatte Schostakowitsch jedoch das Glück, nie verhaftet oder deportiert zu werden. Diese schicksalhafte Beziehung ist am besten an zwei Werken deutlich zu machen.

 

Im Jahre 1927 erhielt der, nunmehr 21 jährige Schostakowitsch den staatlichen Auftrag, ein Werk für die Jubiläumsfeierlichkeiten der Oktoberrevolution zu komponieren. Die daraufhin komponierte 2. Sinfonie in H-Dur mit dem Untertitel „An den Oktober“ wurde als eine Ehrung, an die (proletarischen) Opfer der Revolution und als Hohelied an deren Sieger, mit größtem Jubel aufgenommen und Schostakowitsch erhielt dafür den 1. Preis der Jubiläumsfeierlichkeiten für Musikwerke. Mit diesem Werk wuchs der Ruhm Schostakowitschs weiter an.

Ein jäher „Rückschlag“ seiner musikalischen Karriere erlitt Schostakowitsch dann jedoch 1936, als Stalin eine Aufführung seiner, bis zu diesem Zeitpunkt national und international gefeierte Oper, „Lady Macbeth von Mzensk“ besuchte und daraufhin die vernichtende Kritik „Chaos statt Musik“ in der Prawda erschien. Da diese staatliche Kritik nahezu einem Todesurteil gleichkam, wandten sich viele Bewunderer und Freunde von Schostakowitsch ab und von nun an begleitete ihn die ständige Angst vor Verhaftung und Deportierung.

 

Diese Entwicklungen zeigen beispielhaft die wechselhafte Beziehung zwischen Schostakowitsch und dem sowjetischen, repressiven Machtsystem. Wie aber hat dieser Komponist es geschafft, sowohl in der Sowjetunion (überwiegend) als auch in den USA und Europa als Komponist bekannt und berühmt zu werden? Er lebte in einer Zeit, die, vor allem ab 1950, durch die Gegensätze der unterschiedlichen Weltvorstellungen von Ost und West geprägt war. Nur wenige haben es geschafft, in dieser Zeit die Grenzen zu überwinden. Wie Schostakowitsch dies erreicht hat kann beispielhaft an seiner 7. Sinfonie, der „Leningrader Sinfonie“, gezeigt werden.

 

Die „Leningrader Sinfonie“ wurde zwischen Juni 1941 und März 1942 von Schostakowitsch komponiert. Er widmete diese Sinfonie seiner Heimatstadt „Leningrad“, vordergründig um sie als Widerstandssymbol gegen den Angriff der deutschen faschistischen Truppen, die ab September 1941 Leningrad belagerten, zu würdigen.

Diese Sinfonie wurde, sowohl von der Propagandamaschinerie der Sowjetunion, als auch von den Massenmedien der westlichen Länder als einzigartiges und überragendes Symbol des Widerstandes des russischen Volkes gegen den Faschismus wahrgenommen, erlangte internationale Berühmtheit und verband die, sonst so gegensätzlichen, Blöcke (die SU und „den Westen“).

Bei genauerer Analyse des Werkes und unter Einbeziehung der Äußerungen Schostakowitschs, die nach Ende der stalinistischen Terrorherrschaft entstanden, lässt sich jedoch feststellen, dass ein anderer Interpretationsansatz besser zu dieser Sinfonie passt, als die herkömmliche Glorifizierung als „Kriegssinfonie“.

Schostakowitsch baute beispielsweise in die Exposition des 1. Satzes, die allgemeinhin als Symbol für das idyllische Vorkriegsrussland dargestellt wird, deutliche Verweise dahingehend ein, dass diese Idylle nur trügerisch ist und es wird eine untergründige Gewaltatmosphäre  geschaffen. Diese kann, nimmt man den zweiten Interpretationsansatz zur Hilfe, als die langsame, aber schon damals gewaltsame, Ausbreitung des Sozialismus gedeutet werden.

Diese versteckten Hinweise auf eine Doppeldeutigkeit der Sinfonie setzen sich in der Durchführung des ersten Satzes fort. Die Gestalt des elf Mal wiedergegebenen, ständig, durch das Hinzufügen von Instrumenten, verstärkten Themas vermittelt den Eindruck, einer primitiven und banalen Macht, die nur durch das Hinzufügen von „Masse“ ihre Stärke erhält. Auch hier sind schon am Anfang der Durchführung die, vergleichbar mit der Exposition, den Eindruck einer „Idylle“ vermittelt, Gewaltmotive und Parallelen dazu eingebaut. Diese Steigerung der „brutalen Macht“, bei der schon am Anfang gewaltvolle Züge festzustellen sind, ist gut mit der Entwicklung des stalinistischen Systems in der SU vergleichbar. Der Höhepunkt beschreibt die unglaublich brutale „große Säuberung“, im Zuge derer Stalin von 1936-1938 mehr als zwei Millionen vermeintlicher Regimekritiker hinrichten lies.

 

Zu guter Letzt endet dieser erste Satz nicht mit einer Reprise, die wie im herkömmlichen Sinne die Themen aus der Exposition wieder aufgreift und zu einer „Annäherung“ führt, sondern diese wird ständig, durch den Wiedereinsatz der Gewaltmotive gestört.  Auch diese Darstellung passt besser zum zweiten Interpretationsansatz, nämlich als Metapher für die ruhigere, aber dennoch versteckt gewaltvolle und repressive Situation in der Sowjetuion, die auf die „große Säuberung“ folgte.

 

Damit wird deutlich, wie es Schostakowitsch durch die gewollte Doppeldeutigkeit seiner Werke geschafft hat, einerseits die Zensoren des sowjetischen Regimes zu befriedigen jedoch dabei andererseits, nicht seine eigentlichen Überzeugungen zu verlieren und einen Weg gefunden hat, diese in der Musik auszudrücken.

 

Schostakowitschs musikalischen Werke waren durchgängig von seiner grundsätzlichen Überzeugung geprägt, dass jedem Musikstück eine „außermusikalische“ Idee oder Intention zugrunde liegen musste. So haben viele seiner Werke eine politische oder gesellschaftliche Aussage. Sein Verständnis von Musik, als Werkzeug, das Emotionen und Gefühle spiegeln, nicht aber konkrete Situationen darstellen konnte (aus Ermangelung visueller Darstellung), ist die Grundlage für das Verständnis seiner Werke. Erst dadurch wurde es möglich, die Doppeldeutigkeit einzuflechten, da Emotionen auf mehrere Interpretationsansätze passen.

 

Schostakowitsch erlebte nach dem vernichtenden Artikel „Chaos statt Musik“ schon ein Jahr später die Wiederaufnahme in die „linientreue Kultur“. Es folgten glorreiche Jahre bis er, 1948, erneut von staatlicher Seite geächtet wurde und sich daraufhin, bis zu Stalins Tod 1953, größtenteils aus der Musik zurückzog.            
Nach dem Ende der stalinistischen Herrschaft veröffentlichte Schostakowitsch noch zahlreiche Werke, die unterschiedlichen Themen wie politischen Widerstand, Faschismus und die Situation der Frau, behandelten.   

Neben seinen insgesamt 15 Sinfonien komponierte und erschaffte Schostakowitsch noch Opern, Operetten, Klavierkonzerte, Streichquartetts und einiges mehr.

Dimitri  Dmitrijewitsch Schostakowitsch starb am 9. August 1975 an einem Herzinfarkt in Moskau und wurde mit staatlichen Ehren beigesetzt.

 

 

Ab hier folgt das zusätzlich von Benedikt zusammengestellte Material. Die Bereitstellung zusätzlichen Materials hat keinerlei Einfluss auf die Bewertung - weder im Positiven noch im Negativen. Das Material ist gedacht für SchülerInnen, die ein tieferes oder umfassenderes Verständnis des Referatthemas anstreben. Inhalte des Anhangs werden NICHT in der Hospitationsprüfung abgefragt.

 

 

 

Die 7. Sinfonie – Dimitrij Schostakowitsch
von 1941-1942
Soziokultureller Hintegrund / Politisch
• 1936-1938 - „Große Säuberung“ → Mehr als 2 Millionen Menschen werden durch das
stalinistische totalitäre System als „Regierungskritiker“ verleumdet und getötet.
• 22. Juni 1941 – Einmarsch 3 Millionen deutsch Soldaten in SU
Entstehungsgeschichte
• Idee zur 7. Sinfonie schon vor Angriff auf die SU
Belege:
→ Hat schon vor Krieg 7. Sinfonie für Saison 41/42 angekündigt → musste damals schon
was im Kopf haben
→ Hat Themenvariationen schon vor Krieg seinen Schülern im Konservatorium präsentiert
Juni – Oktober 1941 – Schostakowitsch komponiert im (ab September) belagerten Leningrad die
ersten drei Sätze der 7. Sinfonie.
Oktober 1941 – Schostakowitsch wird aus Leningrad (St. Petersburg) nach Kuibyschew evakuiert
und komponiert dort den dritten Satz
5. März 1942 – Uraufführung
Einordnung
Die Sinfonie oder Symphonie (von griechisch σύμφωνος sýmphōnos ‚zusammenklingend‘,
‚harmonisch‘, auch ital. Sinfonia)[1] ist eine seit Beginn des 17. Jahrhunderts gebräuchliche
Bezeichnung für Instrumentalwerke von über die Jahrhunderte wechselnder Form und Besetzung.
Nach klassischem Verständnis handelt es sich dabei um ein aus mehreren (oftmals vier) Sätzen
bestehendes Stück für Orchester ohne Solisten. Seit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven ist
auch der Einsatz von Gesangstimmen (Solisten und/oder Chor) gebräuchlich, ohne jedoch die
dominierende Funktion des Orchesters aufzugeben.
• Programmsymphonie (mit zurückgezogenem Programm) → Thematisch „Krieg“ oder
„Unterdrückung“
Intention / Verarbeitete Themen
1. Kriegssinfonie
Aus Sicht des russischen Regimes beschrieb diese Sinfonie als Beschreibung der Invasion der Nazis
und als Glorifizierung des standhaften Widerstandes der Bevölkerung. Die Sinfonie wurde im
ganzen Land gespielt und über die Propagandamaschinerie in höchsten Tönen gehighlightet.
• Schostakowitsch bezeichnete die Sinfonie als „Ich horche auf das Leben des russischen
Volkes, sah seinem Kampf zu und versuchte, meine Musik die Bilder seiner heroischen
Taten einzuprägen“ und an anderer Stelle „Die siebte Sinfonie ist ein Poem von unserem
Kampfe und künftigem Siege“.
• Er gab den verschiedenen Teilen die (nachher zurückgezogenen) Überschrifen: 1. Krieg, 2.
erinnerungen, 3. Heimatliche Weiten, 4. Sieg
• Schostakowitsch gab ihr den Beinamen „Leningrader Sinfonie“
1/7
2. Sinfonie für die Opfer von Gewalt
Die zweite Theorie ist, dass Schostakowitsch allen Opfern des stalinistischen Systems mit dieser
Sinfonie ein Denkmal setzen wollte. Sie repräsentiert die staatliche Gewalt die schleichend
aufkommt aber immer stärker wird. Vorallem den Opfern der „großen Säuberung (siehe oben)“
sollte gedacht werden. Den Millionen Toten, denen öffentlich natürlich unter Stalin nicht gedacht
werden durfte, wollte Schostakowitsch mit diesem Requiem ein Denkmal setzen. Er wollte seinen
Protest zum Ausdruck bringen. 7. Sinfonie handelt allgemein von jedem Totalitarismus.
• Die Idee und das Konzept für diese Sinfonie hatte er schon vor Kriegsbeginn (Invasion)
• Das „Invasionsthema“ passt eher zu dem schleichenden Aufkommen der Repressionen als
zu einem plötzlichen Einmarsch des NS Deutschlands
• Schostakowitsch bezeichnete Thema: „Ich habe mir nie eine naturalistische Beschreibung
von militärischen Aktionen zum Ziel gesetzt, ich habe keine so genannte Schlachtenmusik
komponiert. Ich wollten den Inhalt schrecklicher Ereignisse wiedergeben.“
• Sinfonie = sehr komplex → braucht Entstehungszeit
• Schostakowitsch hatte vor Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen immer schon die ganze
Sinfonie grob im Kopf → musste vorher gewesen sein.
• Hat schon vor Krieg 7. Sinfonie für Saison 41/42 angekündigt → musste damals schon was
im Kopf haben
• Hat Themenvariationen schon vor Krieg seinen Schülern im Konservatorium präsentiert
• 1. Thema sollte ursprünglich „Stalin Thema“ heißen (jetzt „Anti Hitler Thema“)
• Zitat: „Ich empfinde unstillbaren Schmerz um alle, die Hitler umgebracht hat. Aber nicht
weniger Schmerz bereitet mir der Gedanke an die auf Stalins Befehl Ermordeten.“
• Zitat: „In ihr geht es nicht um die Blockade. Es geht um Leningrad, das Stalin zugrunde
gerichtet hat. Hitler setzte nur den Schlusspunkt“
3. Sonstiges
• Viele Themen werden angesprochen - „Hölle und Himmel, Verbrechen und Unschuld
Wahnsinn und Vernunft, Dunkelheit und Licht“
• Ein musikalisches Porträt des „Heimatlandes“
Instrumentalisierung durch Politik
Die siebte Sinfonie ist ein einzigartiges Beispiel, wie sowjetische und westliche „Kräfte“
zusammenarbeiteten um kulturideologisch gegen den Faschismus vorzugehen. Die siebte Sinfonie
wurde von sowjetischer Seite massiv genutzt, um Hoffnung zu verbreiten und „hohe Gefühle“
gegen das Nazi Regime aufzubauen. Denn Stalin hatte erkannt wie wichtig Nationalgefühl und
Patriotismus ist. Dazu wurde es landesweite aufgeführt, von den Massenmedien verbreitet und
sogar in dem belagerten Leningrad unter höchster Gefahr gespielt
Auf westlicher Seite wurde die Sinfonie sehr bald darauf auch zu einem internationalen Hit. In der
USA stritt man sich um die Aufführungsrechte und der Transport der Patitur von Russland in die
USA ist legendär.
Die siebte Sinfonie wurde zu einem Symbol des Widerstandes gegen den Angriff der Nazis und
zudem überwand sie die ideologischen Gegensätze von Ost- und West. → einzigartige Verbindung
Stalin hatte offensichtlich erkannt, dass er die Angst des Westens vor SU überwinden musste →
Schostakowitsch war als international renomierter Komponist sehr gut geeignet.
2/7
Entwicklung der Instrumentalisierung:
• Präsentierung Schostakowitsch als patriotischer Feuerwehrmann, der in der bombardierten
Stadt die Sinfonie schrieb.
→ unter feindlichem Feuer im belagerten Leningrad komponiert.
• Aufführung der 7. Sinfonie am 9. August 1942 in Leningrad → Zeichen des Widerstandes
und der Hoffnung → internationale Reaktionen. → sollte auch Bild der „Bolschewiken“
vermenschlichen.
• Titelblatt der Time → Schostakowitsch wird abgebildet → sehr hohe internationale Ehrung
Struktur, Eigenschaften und Elemente der 7. Sinfonie
Basierend auf anderen Werken:
• Gedicht „Requiem“ von Anna Achmatowa
• Psalmensymphonie von Igor Strawinsky.
Grundsätzlich (Sinfonie):
• 2. Satz – Mahler verpflichtet (da er so merkwürdig)
• 3. Satz – Bach und Strawinsky (da so majestätisch)

Besetzung:
Piccoloflöte, 2 große Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, kleine Klarinette (in Es), 2 Klarinetten (in B und
A), Bassklarinette (in B), 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba,
Pauken, große und kleine Trommel, Triangel, Becken, Xylophon, Tamtam, Tambourin, Klavier, 2
Harfen, Streicher – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen (Bühnenorchester)
1. Satz
Veränderte Sonatenhauptsatzform
Exposition → 2 Themen stehen sich gegenüber (vgl. FG S. 228)
1. Thema
• verkörpert Entschiedenheit und Geradlinigkeit da:
→ akkordischer Aufbau des Melos in Motiv a und b
→ Einbeziehung der Grundtonart C-Dur
→ Einsatz punktierter Rhythmus in Motiv a
→ Dynamik der Bewegung (ab fis) → die sich entfaltet (im Nachsatz)
3/7
EINSCHUB: Sonatenhauptsatzform allgemein
Exposition (Vorstellung der Themen), Durchführung (Verarbeitung der
Exposition, motivisch-thematische Arbeit, Dialog) und Reprise (Leicht
veränderte Widerholung der Exposition, „Annäherung“ der Themen
(oftmals durch Tonartangleichung))
• Fanfarenartig
→ Quart-Quint Intervallik (besonders im Kopfmotiv) erweckt Assoziation an Fanfare.
→ unterstützt durch „reales“ Trompetensignal in Takt 3 der Sinfonie (gleichzeitig zu Motiv
2. Thema
• Dialog zweier „Thementeile“
A – Teil
• „endlose Melodie“ → offen, harmonisch wenig gebunden und stellt einen Entwicklungstyp
dar (vgl. FG S. 229)
B – Teil
• prägnante, mlodische Gestalt
• lyrisch verklärend!
• Eher melancholisch!
Verarbeitung
• Variationen der Themen
• Gewaltmotiv (T. 31-32)
• Kontrast zwischen ersten, mehr resoluten und dynamischen und zweitem, mehr lyrischen
Themenkomplex wird fortgeführt.
Deutung
• Thema 2 verklärt die Vorkriegszustände und -situation!
• Ist es ein Zwiegespräch zwischen den lebenden Menschen in Leningrad und den Toten, den
zahllosen Revolutionären vom Oktober 1917, die wie Tuchatschewski auf Stalins Befehl
ermordet worden waren? Das Zittern der Violinen steigt aus unbekannten Gräbern auf,
mahnend, klagend. (2 Motiv)
• Anfängliche Idylle ist trügerisch → vgl. Gewaltmotiv
• Exposition und Themen stehen für geradlinige und entschiedene, wenn auch versteckte
bestialische Vorgehensweise des Stalin Regimes (Gewaltmotiv)
ODER
Sie stehen für die Vorkriegsidylle in der Sowjetunion.
• r Phase des friedlichen Aufbaus
4/7
Durchführung: → neues Thema das in elf Variationen erneut wiedergegeben wird (anstatt
Durchführung)
3. Thema – „Invasionsthema“
• Schon in Thema 2B enthalten (vgl. FD)
• zwei Motive a und b
• Primitiv und einfach gehalten
→ zwei einfache Motive additiv zusammengefügt,
• → Reduktion der Harmonik auf Tonika und Subdominante
→ keine wirkliche „Steigerung“ der Komplexität in Variationen.
→ keine wirkliche „Substaz“
• deutliche Parallelen zum Gewaltmotiv
Eindruck
• Bewusst primitv und dümmlich → Anfangs überhaupt nicht bedrohlich.
Querverweise
• Aus Operette „Die lustige Witwe“ entnommen → dümmlich, primitiv
Verlauf/Verarbeitung der Durchführung
• Invasionsthema wird 12 mal wiedergegeben (leicht variiert) → jedesmal „Verdichtung“
durch Anwachsung der Lautstärke und Hinzufügung von Begleitstimmen → größere
„Präsenz“
• Requiempassagen sind enthalten
Deutung:
• Anfängliche Idylle ist trgerisch
• Totalitärer Angriff („große Säuberung“) des stalinistischen Regimes
ODER
Der Einfall des aggressiven deutschen Faschismus (Krieg).
• Die Banalität des Themas ist eine treffende Charakterisierung der Aggressoren (Krieg und
Stalin) → Banal, nur mächtig da sie ihre „Masse“ steigern können, nicht intelligent.
• das Stupide der Melodie mit einer grausamen Brutalität verbindet
• Requiem verweist auf Tote durch Krieg ODER stalinistisches System.
5/7
Reprise: → Wiederaufnahme der Themen 1 und 2 (in veränderter und verarbeiteter Form)
• Wiederverarbeitung des 1. Themas
• Restauration des 2. Themas gelingt nicht ganz
→ wirkt zögerlich und verhalten
→ verliert sich in Moll
• Im zweiten Satz ein Motiv, das aus dem Finale der fünften Symphonie als
„Hinrichtungsprozessionsmotiv“ fungiert. → versteckte Botschaft vom Leben am Rand der
Katastrophe.
• „Verklärtes“ 1. Thema wird durch Auftreten des Invasionsthemas „untergraben“.
• Gewaltmotiv und 1. Kopfmotiv stehen sich gegenüber.
• Endet mit Invasionsthema
Deutung
• Man kommt nicht mehr zu den „Vorkriegszuständen“ ODER Zuständen, vor der großen
Säuberung zurück. → zwar versucht die „Idylle“ und Harmonie wieder herrzustellen, die
unterschwellige Gewalt und Erinnerung bleibt jedoch bestehen!
2., 3. und 4. Satz
2. Satz
Intermezzo ohne programmatischen Inhalt und Bilder
3. Satz
Schwerfällig und düster beginnt der Satz wie eine Totenfeier, gefolgt von traurigen Flötenklängen
und Streicherkantilenen, die den unendlichen Schmerz über das Leid der Bevölkerung zum
Ausdruck bringen. Doch dies schlägt um in Wut und Kampfbereitschaft, vermittelt durch
plötzliches Dur mit lauten Bläsern, Walzerrhythmus und Wiederaufnahme des Marschthemas. Die
4. Satz
letzte Satz sollte das buchstäbliche Finale einer Kriegssinfonie darstellen, also den Sieg. Tatsächlich
scheint es so, als würde Schostakowitsch das anfänglich einzige Thema immer stärker verdichten.
Allerdings tritt an die Stelle des heroischen Sieges ein ebenfalls typisches Stilmittel für die
Kompositionen Schostakowitschs: eine langsame barocke Form, hier eine Sarabande. Diese
barocken Formen tauchen vor allem in den Kriegskompositionen gehäuft auf und sind immer
Mittel der Trauer. Schostakowitsch kontrastiert diese Trauermelodien gerne mit grotesken Formen
und stellt so einen direkten Zusammenhang dar. In den Kriegssinfonien, vor allem in der achten,
stehen diese langsamen barocken Formen immer Zirkusmärschen und Ähnlichem gegenüber. Es
wird so das Leiden von unzähligen Menschen verdeutlicht, das durch die Zirkusmärsche und
Militäranklänge in direktem Zusammenhang mit der brutalen Gewalt durch die Auslöser des
Krieges gestellt wird.
Zusammenfassend:
• Eine sehr vielseitige und vieldeutige Sinfonie.
• Obwohl beide Interpretationsansätze gegensätzlich klingen, schliessen sie sich nicht aus.
Die Idee zur 7. Sinfonie war zwar von dem unmenschlichen Leid der Opfer Stalins inspiriert,
aber da Schostakowitsch kein Antikommunist war, schliesst diese Sinfonie auch die
Kriegszustände während der Invasion der deutschen Truppen ein.
6/7
• Da die Musik, wie Schostakowitsch sagt, „kein genaues Abbild der Welt geben, sondern nur
Emotionen ausdrücken“ kann, sind diese mehrfachdeutungen so gut möglich. → es geht
um emotionales Spektrum nicht um Darstellung von Ereignissen.
Wirkung der 7. Sinfonie
• Die Menschen waren berührt, weinten, waren im innersten getroffen → religiöses Ritual
• Die Sinfonie gab ihnen die Möglichkeit, ihre geheimen Gedanken die in Jahren aufgestaut
waren, auszuleben!
Auszeichnungen
• Schostakowitsch wurde für die 7. Sinfonie mit dem „Stalin Orden erster Klasse“
ausgezeichnet.
Einteilung Video 7. Sinfonie
Einteilung in Abschnitte (nach Video Youtube http://www.youtube.com/watch?v=C8M136tvPqA)
1. Teil – Allegro
0-5:50 – Seichter Einstieg
5:50 – 12:38 - Invasionsthema (unterlegt mit Trommelrhythmus, ständig wiederholt und
gesteigert)
12:38-13:13 – Invasionsthema mit interessantem Element
13:20 – 14:00 – Invasionsthema mit einem interessanten Element!
15:28 - - Kein Invasionsthema, anderes Element/Motiv
17:35 – 18:00 – Höhepunkt Invasion
18:00 - - Abflauen/ Auslaufen
20:10 - 23:50 - Ruhiges, neues Thema → Flötensolo und Oboensolo
23:50 - 26:40 - Verariierte Aufnahme des 1. Themas, steigert sich.
26:45 – Ende – Trommelhintergrund, kurze Wiedergabe Invasionsthema
Präsentationsausschnitte:
2. 14:48-15:29 Zeit
Benedikt Jordan, 21. Januar 2013
7/7

 

Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch
(1906-1975)
Kurzbiographie
1906 – Geburt Dimitrij Schostakowitsch
Mit 11 Jahren (1917) – Augenzeuge Ermordung Demonstrant
WERK: Komposition „Eine Hymne auf die Freiheit“ und „Trauermarsch für die Opfer der
Revolution“
1919 (mit 13) – Beginn Studium Konservatorium Petrograd (St. Petersburg)
1922 (mit 16) – Vater stirbt, Familie hat sehr wenig Geld → Schostakowitsch fängt an in einem
Stummfilmtheater als Klavierbegleitung zu arbeiten.
WERK: 1925 (19) – 1. Symphonie in E-Moll, → überwältigender, internationaler Erfolg (obwohl eig.
Diplomarbeit)
WERK: 1927 – 2. Symphonie „An den Oktober“ → von Stalin in Auftag gegeben, 10 Jahre
WERK: 1927/28 – Oper „Die Nase“ → Satire auf die russische Bürokratie
Oktoberrevolution → entspricht Vorgaben Auftraggeber, jedoch auch versteckte Kritik.
1932- Heirat Nina Warsar, Tochter eines Juristen (bekannt)
WERK: 1934 – Lady Macbeth von Mzensk
1936 – Geburt Tochter Galja; 1938 Geburt Sohn Maxim
WERK: 1937 – 5. Sinfonie - „Gnade Stalins“
WERK: 1942 – 7. Sinfonie „2. Kriegssinfonie“
UNVOLLSTÄNDIG
Soziokultureller Hintergrund
Politik/Gesellschaft
• Regentschaft Stalin 1927-1953
• 1936/37-1938 wurde die Sowjetunion vom Großen Stalinistischen Terrors beherrscht:
Der Große Terror – auch als Große Säuberung (russisch Большая чистка, Bolschaja tschistka) oder
Jeschowschtschina‚ Jeschow-Herrschaft) bezeichnet – war eine von Herbst 1936 bis Ende 1938
dauernde umfangreiche Verfolgungskampagne in der Sowjetunion. Die Durchführung dieser von
Josef Stalin veranlassten und vom Politbüro gebilligten Terrorkampagne lag bei den Organen des
Innenministeriums der UdSSR (NKWD) unter Leitung von Nikolai Jeschow. Der Terror richtete sich
vor allem gegen mutmaßliche Gegner der stalinistischen Herrschaft und als unzuverlässig
angesehene „Elemente“ oder Gruppen.
Als Großer Terror im engeren Sinn wird der Zeitraum von Juli 1937 bis Mitte November 1938
verstanden. Allein in diesen Monaten kam es zur Verhaftung von etwa 1,5 Millionen Menschen,
von denen etwa die Hälfte erschossen, die anderen bis auf wenige Ausnahmen in die Lager des
Gulag oder in Gefängnisse verbracht wurden. Die umfassenden Repressionen gelten als Höhepunkt
einer Kette von Säuberungswellen der Stalin-Ära.
• 22.6.1941 – Überfall Nazideutschland auf SU → bruch der Koalition
1/9
Kontrolle Kunst und Kultur
• Stalin hat Kunst und Kultur am effektivsten aller Diktaturen kontrolliert und gelenkt, da
er sich dessen Macht bewusst war. → Sicherte sich von den künstlerisch Schaffenden eine
hohe Dienstbarkeit für seine propagandistischen Ziele.
• Konstruierte die „schöpferischen Verbände“ (ab 1932)
→ Recht auf Arbeit stand nur den eingetragenen und gebilligten Künstlern zu
→ Jeder Verband ist von KGB kontrolliert
→ existieren noch heute!
Zur Person Stalins:
• War sich Kunst und Musik durchaus bewusst
→ hatte schon mit 16 Jahren gedichtet
→ War oftmals Zuschauer im Bolschoi Theater → hatte dort auch seine Günstlinge
• Glaubte an die Idee von „Zuckerbrot und Peitsche“
Musik
• Die musikalische Avantgarde war bereit, mit der sowjetischen Regierung
zusammenzusarbeiten (Kritiker hielten still oder waren geflohen).
Sozialistischer Realismus
Von 1932-1991 war der „sozialistische Realismus“ die vorgegebene „Stilrichtung“ in der Kunst und
Musik in der UDSSR (SU). Es wurden Themen aus dem Arbeitsleben und der Technik in den
Vordergrund gestellt sowie eine starke „Wirklichkeitsnähe“ und Abschaffung der Abstraktion
gefordert.
Die Komponisten und Künstler hatten sich nach dieser offiziellen Vorgabe der Partei zu richten,
ansonsten drohte Zensur und Verhaftung.
Schostakowitsch, der vormals einen sehr freien und zeitgenössischen Stil pflegt, änderte seine
„Kompositionsrichtung“ nach dem vernichtenden Artikel in der Prawda 1936 zugunsten dieser
Vorgabe.
Wichtigste Lebensereignisse
• 25. September 1906 – Geburt in St. Petersburg → insgesamt 2 Geschwister
• Bekommt früh Klavierunterricht → ab 9 Jahre
• 1917 (Oktoberrevolution) – Augenzeuge Mord an Demonstrant → erste Komposition schon
politisch geprägt „Hymne an die Freiheit“
• Ab 1919 – Studium Klavier an Konservatorium St. Petersburg, da ihm sein Klavierlehrer
nichts mehr beibringen kann (mit 13!:)
UNVOLLSTÄNDIG
Grundcharakterzüge
Persönlich
• Sehr begabt in Musik und Schule
• Sehr ambitioniert → will immer der Beste sein
• Eigensinnig und zäh → schafft das was er will!
• Glaubt an sich selber → Glaube an sein Genie
2/9
Kompositionen
Grundsätzlich
• Insgesamt nur zwei vollendete Opern
• 15 Sinfonien
• Andere Werke wie Streichquartette, Operetten, Klavierkonzert usw.
1917 - Komposition „Eine Hymne auf die Freiheit“ und „
→ nach Miterleben eines Mordes an Demonstrant
1925 (19) – 1. Symphonie in E-Moll,
→ Diplomarbeit am Konservatorium
→ hat überwältigenden, internationaler Erfolg
1927 – 2. Symphonie „An den Oktober“
→ von „Regierung“ in Auftrag gegeben anlässlich 10 jähriges Jubiläum Oktoberrevolution
→ Basiert auf Lobesgedicht „An den Oktober“
→ Hochgelobt von Stalin → Dotierung 1. Preis für Kompositionen anlässlich des Jubiläums
1927/28 – Oper „Die Nase“
→ 1. Oper von Schostakowitsch
→ Absurder Inhalt als „normal“ dargestellt.
→ Satire auf die russische Bürokratie
1931 - 3. Sinfonie in Es-Dur, Opus 20 „Zum 1. Mai“
22. Januar 1934 – Oper „Lady Macbeth von Mzensk“
Handlung: (1) Liebe, die an den äußerlichen Umständen (Repressionen, Gesellschaftsordnung usw)
zerbricht (2) Geschlechterrollen und Unterdrückung der Frau
→ International hochgelobt, 1. Aufführung wird grandioser Erfolg, von Kritikern und Bewunderern
gelobt
→ 1936 besucht Stalin eine Aufführung → vernichtende Kritik in „Prawda – Chaos statt Musik“ →
vernichtende Auswirkungen auf Schostakowitsch und die ganze Oper
1934-36 – 4. Sinfonie c-Moll
• Komposition viel mit vernichtendem Prawda Artikel „Chaos statt Musik“ von 1936
zusammen
• Diese Sinfonie sollte seine Kritikert beruhigen.
• Kurz vor der Aufführung zieht sie Schostakowitsch jedoch zurück
Gründe: nicht ganz klar. Unterschiedliche Behauptungen → entwd. Weil unfertig, Druck von
Regierung oder schlechter Dirigent.
1937 - 5. Sinfonie in d-Moll op. 47
• erstes Werk des „sozialistischer Realismus“ in Schostakowitschs Musik
Wirkung:
→ Wird als Rückkehr des verlorenen Sohnes unter die Fittiche der linientreuen Kulturpolitik
dargestellt. → von Regime hochgelobt
→ großer Publikumserfolg
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Kontroverse:
• In SU als Verehrung und Widmung der Regierung angesehen und hochgelobt → von
Westen als regimetreues Werk verachtet.
• In Schostakowitschs Memoiren: Alles satirisch gemeint, der Endmarsch ist kein
„Triumpfmarsch“ sondern ein „Todesmarsch“
→ wird von ihm als Parodie auf die erzwungenen Lobreden und der Idealisierung des
stalinistischen Regimes dargestellt. (in Memoiren)
„Was in der Fünften vorgeht, sollte meiner Meinung nach jedem klar sein. Der Jubel ist unter
Drohungen erzwungen. [...] So als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: Jubeln
sollt ihr! Jubeln sollt ihr! Und der geschlagene Mensch erhebt sich, kann sich kaum auf den Beinen
halten. Geht, marschiert, murmelt vor sich hin: Jubeln sollen wir, jubeln sollen wir. Man muss schon
ein kompletter Trottel sein, um das nicht zu hören.“
1939 – 6. Sinfonie
→ eher unwichtig
1942 - 7. Sinfonie in C-Dur „Leningrader Sinfonie“
Entstehungsgeschichte
→ Begann vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion (22.6.1941) die Sinfonie zu
komponieren.
→ Niederschrift: nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn. → da so dem Einfall zur Sinfonie auf
keinen Fall der deutsche Überfall zugrunde lag.
→ JEDOCH: Nicht ganz klar wann und mit welcher Ambition diese Sinfonie entstanden ist.
Werkbeschreibung:
• vier Sätze
• Im ersten Satz ein „Hitler-“ oder als „Stalin-Motiv“
→ von Schostakowitsch: Eine Interpretation des Motivs aus „Lady Macbeth“ in dem staatliche
Gewalt und Repression angeprangert wird.
Orchesterbesetzung:
Piccoloflöte, 2 große Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, kleine Klarinette (in Es), 2 Klarinetten (in B und
A), Bassklarinette (in B), 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba,
Pauken, große und kleine Trommel, Triangel, Becken, Xylophon, Tamtam, Tambourin, Klavier, 2
Harfen, Streicher – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen (Bühnenorchester)
Wirkung
→ In SU unumschränkt gefeiert → ein Konzert von allen sowjetischen Rundfunksendern live
übertragen
→ internationale Anerkennung → Symbol gegen Faschismus → Auf Titelseite der „NYTimes“
Deutung des Werkes:
→ Sehr umstritten bis heute!
Systemheroisierung:
→ „Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem
unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt ...“
→ Wurde als „das Symbol“ des Widerstands gegen die faschistischen Truppen gesehen →
bekommt Stalinpreis für diese Sinfonie.
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1943 – 8. Sinfonie c-Moll „Stalingrader Sinfonie“
• Während dem Krieg geschrieben
Charakter:
ist die 8. Sinfonie in weiten Teilen nachdenklich, melancholisch und zeigt im Ergebnis keine
Befriedigung über den Sieg, sondern kündet von individuellem Leid und der Trauer über die
unglaublichen Verluste an Menschenleben. Die Sinfonie meidet in ihrem humanistischen
Engagement große heroische Gesten. Sind der grandiose erste Satz (Adagio) und die beiden
folgenden Sätze noch von apokalyptischer Steigerung, teilweise aggressiven und schnellen Tempi
geprägt, erklingen in den beiden letzten Sätzen grüblerische, leise Töne, bevor der letzte Satz still
und offen verklingt.
Aussage Schostakowitsch
„den Schrecken des Lebens eines Intellektuellen in der damaligen Zeit “
Politische Reaktion:
Nach dem Krieg fiel die 8. Sinfonie der Zensur zum Opfer, sie wurde nicht mehr aufgeführt, und
sogar viele Rundfunkmitschnitte wurden gelöscht.
1944/45 – 9. Sinfonie
• Entstehung nach Ende 2. Weltkrieg → jedoch: Keine Siegeshymne!
Politische Reaktion:
• An diese Hymne waren hohe Erwartungen geknüpft: Da der Krieg siegreich zu Ende
gegangen war, sollte sie diesen Sieg wiederspiegel, den Personenkult um Stalin stärken und
über Schostakowitschs andere Werke hinausragen.
• Alle diese Erwartungen wurden nicht erfüllt → sehr kurze Sinfonie, endet ironischerweise
mit einem „Zirkusmarsch“.
• Stalinistische Regierung ist „vor den Kopf“ gestossen
• Schostakowitsch wird geächtet und verfolgt → lange Pause in seinem sinfonischen
Schaffen.
1953 - 10. Sinfonie in e-Moll
Musikalische Verbindungen zu anderen Komponisten
• Schostakowitschs Musik war eng verknüpft mit manchen Entwicklungen in Westeuropa.
• Berhold Goldschmidt (deutsch) – Kannten sich auch
Große Verwandschaft in der musikalischen Gestaltung
→ Sujet (selbe Themen), Genre, und kompositorische Faktur
→ komponieren im selben Jahr erste Sonate → Ähnlichkeiten in dreisätzigen
Sonatenmodell, Ausgestaltung Tonalität (halten daran fest, aber ohne
Tonarenvorzeichnung), freie Sequenzierungen usw. (MD S.43)
• Dostojewski
→ Gleiche Themen und motivische Verarbeitung (Lady Macbeth von Mzensk)
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Musikalische Ausrichtung/Entwicklung
Musikalische Wurzeln
Allgemein
• Sehr „westeuropäische“ musikalische Wurzeln.
Beethoven und Shakespeare
• Schostakowitschs Musik basiert auf den Wurzeln von Beethoven und Shakespeare, die zu
seiner Zeit eigentlich „überholt“ waren.
• Beziehung in der Art und Weise der Darstellungen und der Art der Dramaturgie (bezogen
auf die Sinfonien)
• Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft
• Konzept der Tragödie → Verflechtung von Tragik und Humor (wie bei Shakespeare)
Mahler und Tschaikowski
• verändertem nach eigenen Worten, seinen kompositorischen Geschmack (Mahler)
• Parallelen in den Ausdrucksmitteln
• Gemeinsamkeit in ethischer Haltung (Mahler)
• Thematisierung des Bösen verbindet ihn mit Tschaikowski
• Alle drei: Ästhetische Konzeption (den Kompositionen muss immer eine Idee zugrunde
liegen)

„Moderne“ - Alban Berg (Schüler von Schönberg)
• volkstümliche Genres (Lady Mc. Beth) → Trivialmusik s
• „Neue Musik“ des Westens fand Schostakowitsch sehr interessant.
Ernst Kurzt „Linearer Kontrapunkt“
→ europäische wie sowjetische Musik davon geprägt
→ Auch schostakowitsch entfaltet Gedanke der Linearität große Wirkung (S. 44, MD)
Anfangsjahre
• Anhänger der „Rimski-Korssakow Schule (Konservatoium in St. Petersburg)
• Musik wird als „markant, temepramtentvoll, meisterhaft jedoch verständlich und der
Tradition verpflichtet“ beschrieben.
Musikalische Aussagen/Selbstverständnis
• Schostakowitschs Musik hatte fast immer eine gesellschaftliche oder politische Aussage →
oftmals war diese jedoch versteckt
Er begriff sich als „jurodiwy“ - „Gottesnarr“ → In der russischen Tradition sind dies Menschen, die
unbehelligt von der Regierung, Kritik und Verbesserungsvorschläge aussprechen und anbringen
können. Er nimmt Dinge wahr, die andere nicht sehen und vermittelt diese in einer paradoxen,
schwer verständlichen Art. Oftmals spielt er dabei genau das Gegenteil von dem was er ist: So
scheint er ein Tor zu sein, jedoch enthalten seine Werke versteckte Hinweise. Schostakowitsch
schien offiziell ein reimetreuer Komponist zu sein, der propagandistische Werke für Stalin
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komponierte, jedoch stellte sich heraus, dass bei genauerem Hinsehen tiefe und einschneidende
Kritiken in seinen Werken versteckt sind.
• Geschlecher-Machtverhältnisse → Unterdrückung der Frau in patriarchalischen Strukturen
(MD S.39) → WERK Lady Macbeth -> Ausgedrückt durch Sexualität
• Offiziell bekannte er sich zum „sozialistischen Realismus“.
• Aufgabe: Widerspiegelung der Gefühle seiner Zeitgenossen. → Volksverbundenheit
• Seine Musik brauchte einen gewissen Ideengehalt. → programmatische Idee geht immer
dem Komponieren der Musik voraus → Programmatik = Inhalt muss vorhanden sein.
→ entweder ein „Sujet“ liegt seiner Musik zugrunde, ein Eindruck, eine Erfahrung usw.
→ oder eine „verallgemeindernde Idee“
• Musik kann nur Emotionen und Gefühle wiedergeben, keine konkreten Gegenstände →
deswegen auch nicht immer Interpretationsklarheit.
• Inhalt geht über Form (und der Inhalt ist außermusikalisch) → der Inhalt soll ausgedrückt
werden.
• Seine Musik ist eine Mischung aus Konvention und Revolution, die sich auf ein fundiertes
kompositorisches Handwerk gründet und durch fantasievolle Instrumentierungen und
moderne Melodik und Harmonik besticht. Inspiriert wurde er durch die Werke
zeitgenössischer Komponisten wie Igor Strawinski und Sergei Prokofjew, und ab 1930
zunehmend durch die Werke Gustav Mahlers.[1]
Schostakowitschs Weltbild/Vorstellungen
• Schostakowitsch war nicht antikommunistisch noch ein ausgemachter
„Widerstandskämpfer“ gegen Stalin. → sondern er stand immer auf der Seite der
Unterdrückten.
Beziehung zur Politik (Stalin: 1927-1953)
• Sehr wechselhafte Beziehung: Quälte ihn mit schweren Belastungsproben und öffentlichen
Demütigungen, zeichnete ihn aber gleichzeitig mit höchsten Ehren und Titeln aus.
• ständig zwischen der drohenden Verhaftung einerseits und Auszeichnungen für sein Werk
andererseits zu stehen.
• Eigenartige Verbindung zwischen Stalin und Schostakowitsch → obwohl dieser das
Regierungssystem des öfteren auch erkenntlich kritisiert hat, entschloss sich Stalin nie, ihn
verhaften zu lassen
→ Parallelen zu der Beziehung zwischen Nikolas 2 und Puschkin (zu Anfang)
Musikalisch
WENDEPUNKT
1927 – Jubiläum Oktoberrevolution
Auftragswerk zu Ehren des 10jährigen Jubiläums der Oktoberrevolution „2. Sinfonie – An den
Oktober“ → hochgelobt, erhält 1. Preis Wettbewerb beste Werke zu ehren der Oktoberrevolution
1931 – Erstmals Zensur seines Ballets „Der Bolzen“
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WENDEPUNKT
1936 – Prawda Artikel „Chaos statt Musik“
Stalin schreibt Artikel „Chaos statt Musik“ in Prawda über seine Oper „Lady Macbeth (heißt heute
anders“. → vernichtende Kritik für Schostakowitsch, seine Oper und seine Musik: „linksradikaler
Zügellosigkeit“ und „kleinbürgerlichen Neuerertums“
Auswirkungen:
→ Alle Aufführungen sofort gestoppt.
→ Führt bei ihm im Nachgang zu Depressionen und Suizidgedanken
→ Desöfteren Befragungen durch Geheimpolizei
→ Angst vor Exekution „Das Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben
lang gemartert haben, viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“
WENDEPUNKT
1937 – 5. Sinfonie - „Rückkehr von Schostakowitsch“
• Diese Sinfonie wird als „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ vom Regime dargestellt
Kontroverse:
• In SU als Verehrung und Widmung der Regierung angesehen und hochgelobt → von
Westen als regimetreues Werk verachtet.
• In Schostakowitschs Memoiren: Alles satirisch gemeint, der Endmarsch ist kein
„Triumpfmarsch“ sondern ein „Todesmarsch“

1943 – Auswahl Nationalhymne
Schostakowitschs Vertonung eines, von Stalin ausgewählten Gedichts, kam in die Endauswahl für
die sowjetische Nationalhymne. Obwohl diese schlussendlich nicht genommen wurde, hatte dich
sich dabei ergebene Begegnung zwischen Schostakowitsch und Stalin eine große Bedeutung für
Schostakowitsch, da Stalin ihn als „anständigen Menschen“ bezeichnete.
1944/45 – 9. Sinfonie
Da Schostakowitschs 9. Sinfonie in keinster Weise den Erwartungen der stalinistischen Regierung
an ein Nachkriegswerk erfüllt, wird er von nun an teilweise geächtet und stärker überwacht. Viele
seiner Kompositionen in der folgenden Zeit veröffentlicht er erst nach dem Tode Stalins.
1975 – Begräbnis Schostakowitsch
Noch bei seinem Begräbnis zeigte sich die Widersprüchlichkeit von Schostakowitschs Schaffen. Er
wurde in einem amtlichen Nachruf über alle Maßen gelobt und hohe Staatsfunktionäre beehrten
sein Begräbnis mit ihrer Teilnahme. Und dies, obwohl Schostakowitsch Zeit seines Lebens viele
kritische Werke veröfftnlicht hat, welche die vorherrschenden, totalitären Regierungssysteme
scharf kritisierten (wenn auch oftmals versteckt)
WENDEPUNKT
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1948 – Formalistische Säuberungen
• Schostakowitsch wird seinen Ämtern in Moskau und Leningrad aufgrund des Vorwurfs des
„Formalismus“ enthoben.
Persönlich
• Einige seiner Familienmitglieder wurden vom Regime verhaftet und deportiert (Mann
seiner Schwester verhaftet, Schwester nach Sibirien deportiert → im Rahmen der großen
Säuberungen)
Sonstige politische Einstellung
• Misstrauisch gegenüber dem Westen → Wahrscheinlich weil der nichts gegen das
repressive System Stalins übernommen hat und dieses so gut wie möglich versucht hat zu
ignorieren.
→ Er hatte nie freundschaftlihce Kontakte zu Ausländern, auch wenn er von der modernen
Musik des Westens beeindruckt war.
Benedikt Jordan, 21. Januar 2013
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